Die Wüstenwanderung

Juni

Brot vom Himmel (Exodus 15,22 – 16,36)


Für Kinder

Prächtig gekleidet sind sie alle, von Not keine Spur. Statt einer Wüste sehen wir eine liebliche Wiesenlandschaft mit goldenem Horizont. Warum das? Wenn du hinschaust, wirst du schnell erkennen: Das Manna sieht aus wie die Hostien, die in der christlichen Kirche in der Kommunion ausgeteilt werden. Der kniende Mann links im roten Umhang hält die Hände voller Manna wie eine Schale bereit, als wolle er es gleich austeilen. Auch andere Haltungen könnten eine Anspielung auf priesterliche Vollzüge während der Gabenbereitung sein. Hier hat ein christlicher Künstler das Mannawunder als Vorbildgeschichte für die christliche Eucharistie gemalt. Am rechten Bildrand steht Mose mit seinem Stab in der Hand. Fällt dir etwas Merkwürdiges an ihm auf?

Dieric Bouts, Umkreis (1410/20–1475), Die Mannalese, 38,63 cm x 52,98 cm, Basel, Kunstmuseum


Biblischer Text

Mose ließ Israel vom Schilfmeer zur Wüste Schur aufbrechen. Drei Tage waren sie in der Wüste unterwegs und fanden kein Wasser. Als sie nach Mara kamen, konnten sie das Wasser von Mara nicht trinken, weil es bitter war. Da murrte das Volk gegen Mose und sagte: „Was sollen wir trinken?“ Er schrie zum HERRN, und der HERR zeigte ihm ein Stück Holz. Als er es ins Wasser warf, wurde das Wasser süß. Dort sagte der HERR zum Volk: „Wenn du auf die Stimme deines Gottes hörst und tust, was in seinen Augen gut ist, wird es dir gut gehen.“

Dann kamen sie in die Wüste Sin. Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte in der Wüste gegen Mose und Aaron. Sie sagten: „Wären wir doch in Ägypten durch die Hand des HERRN gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen und Brot genug zu essen hatten!“ Der HERR sprach zu Mose: „Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen.“ Da verkündeten Mose und Aaron allen Israeliten: „Der HERR hat euer Murren gehört. Am Abend werdet ihr Fleisch zu essen haben, am Morgen werdet ihr satt sein von Brot.“

Am Abend kamen die Wachteln und bedeckten das Lager. Am Morgen lag auf dem Wüstenboden unter einer Schicht von Tau etwas Feines, Knuspriges auf der Erde. Als das die Israeliten sahen, sagten sie zueinander: „Was ist das?“ Da sagte Mose zu ihnen: „Das ist das Brot, das euch der HERR zu essen gibt.“ Sie sammelten es Morgen für Morgen. Mose sagte: „Sechs Tage dürft ihr das Brot sammeln, am siebten Tag ist Sabbat. Da findet ihr nichts. Daher gibt der HERR euch am sechsten Tag Brot für zwei Tage.“ Das Volk ruhte also am siebten Tag. Sie nannten das Brot Manna. Es war weiß wie Koriandersamen und schmeckte wie Honigkuchen. Die Israeliten aßen vierzig Jahre Manna, bis sie die Grenze von Kanaan erreichten.


Für Erwachsene

Für das Mannawunder hat man eine natürliche Erklärung gefunden: Bei dem „Brot“ auf dem Wüstenboden könnte es sich um das süße essbare Sekret einer auf dem Tamariskenbaum lebenden Schildlaus gehandelt haben. Dieses kristallisierte Sekret findet man in Teilen des Sinai im Juni und Juli. Die Israeliten kannten es nicht und fragten: man-hu = was ist das? Dar-aus entwickelte sich dann die Bezeichnung „Manna“ für das himmlische Brot. Auch wenn es diese natürliche Erklärung gibt, trifft sie doch nicht den Kern der Wundergeschichten. Denn hier sollen keine Naturphänomene beschrieben werden, sondern Gottes wunderbares Eingreifen für sein Volk dokumentiert und die Gottesbegegnung am Sinai vorbereitet werden. „Natürlich“ lässt es sich nicht mehr erklären, warum das Manna genau dann ankam, als die Israeliten es brauchten und dass es sich am sechsten Tag verdoppelte, am siebten Tag hingegen nicht erschien und das ganze Jahr über kam. Im Mannawunder klingt an, was wenig später am Sinai als Gesetz verkündet wird: Dass es eine in der Natur verborgene Ordnung der Zeit gibt, in der der siebte Tag etwas Besonderes ist. Diesen Tag heilig zu halten, ist lebensnotwendig. Die christliche Überlieferung hat in der Speisung der Fünftausend durch Jesus (Mk 6,30-44) eine Entsprechung zum Mannawunder gesehen. Das Manna wurde zum christlichen Vorbild der Eucharistie, der geistlichen Nahrung der Kirche während ihres Exodus auf Erden. Das alte Kirchenlied „Oh heilige Seelenspeise, auf unser Pilgerreise, Manna Himmelsbrot“ drückt dies sinnfällig aus.



Bildnachweis

Bouts, Die Mannalese, Foto: Hans Hinz – ARTOTHEK