Königsbesuch

Januar

Die Königin von Saba besucht König Salomo (1 Könige 10,1–13)


Für Kinder

Der Maler und Kunsthistoriker Edward Poynter wollte alles genau so malen, wie es vielleicht einmal war. Aber das war schwierig, weil es von der Zeit Salomos keine archäologischen Überreste mehr gibt. Dafür gab es sensationelle Entdeckungen aus späterer Zeit, nämlich von assyrischen Palästen im Nordirak. Poynters Freund Sir Austen Henry Layard hatte sie gemacht. Poynter studierte sie genau. So sind z.B. die goldenen Löwen des Löwenthrons von Salomo von einem riesengroßen Steinlöwen abgeschaut. Den hatte Layard 1849 vor einem Tempel der Göttin Ischtar in Nimrud entdeckt. Nimrud war vom 9. Jahrhundert v. Chr. bis zur Zerstörung im Jahr 612 v. Chr. Hauptstadt des assyrischen Reiches. Aber auch die Bibel las Poynter genau. Was er dort an Einzelheiten finden konnte, setzte er um. So ist der Aufgang zu Salomos Thron dargestellt wie in der Bibel beschrieben: Sechs Stufen führen hinauf mit je zwei Löwen zu beiden Seiten der Stufen (siehe 1. Buch der Könige, Kapitel 10, Vers 18–20). Poynter war an dem „historischen“ Ereignis interessiert. Er hatte kein Interesse daran, der Szene eine christliche Deutung zu geben. Das ist ganz anders auf dem nächsten Bild. Du musst nur nach unten scrollen, dann wirst du es sehen!

Abb. 1: Edward Poynter (1839–1919), Salomo empfängt die Königin von Saba, 1890, Öl auf Leinwand, 234,5 x 350,5 cm, Sydney, Art Gallery of New South Wales


Biblischer Text

Die Königin von Saba hörte von Salomos Berühmtheit und kam,
um seine Weisheit mit schwierigen Rätselfragen zu prüfen. Sie
kam nach Jerusalem mit zahlreichen Schätzen, mit Kamelen, die
duftendes Öl trugen und eine gewaltige Menge Gold und Edelsteine.
Sie trat vor König Salomo und redete mit ihm über alles, was sie
auf dem Herzen hatte. Salomo beantwortete alle ihre Fragen. Es gab
nichts, was dem König verborgen war und nichts, was er ihr nicht
hätte sagen können.

Als nun die Königin von Saba alle Weisheit Salomos sah, dazu den
Palast, den er gebaut hatte, die Speisen auf seiner Tafel, und wie seine
Beamten dasaßen und seine Diener ihnen auftrugen, in kostbare
Gewänder gekleidet, da stockte ihr der Atem. Sie sagte zum König:
„Was ich in meinem Land über dich und deine Weisheit gehört
habe, ist wirklich wahr. Ich wollte es nicht glauben, bis ich nun selbst
gekommen bin und es mit eigenen Augen gesehen habe. Und wahrlich,
nicht einmal die Hälfte hat man mir berichtet. Deine Weisheit
und dein Reichtum übertreffen alles, was ich gehört habe.“

„Wie glücklich müssen deine Männer sein, wie glücklich deine Diener,
die immer vor dir stehen und deine Weisheit hören können!
Gepriesen sei der HERR, dein Gott, der an dir Gefallen hatte und dich
auf den Thron Israels gesetzt hat! Weil der HERR Israel ewig liebt,
hat er dich als König eingesetzt, damit du Recht und Gerechtigkeit
übst.“ Sie gab dem König hundertzwanzig Talente* Gold, dazu eine
große Menge duftender Öle und Edelsteine. Niemals mehr kam so
viel duftendes Öl in das Land, wie es die Königin von Saba dem König
Salomo schenkte. König Salomo seinerseits gab der Königin von
Saba alles, was sie sich wünschte, zusätzlich zu dem, was er ihr schon
aus seinem königlichen Reichtum geschenkt hatte. Schließlich kehrte
sie mit ihren Dienern in ihr Land zurück.

*1 Talent war etwa 34,5 kg


Für Kinder

Hier ist eine ganz andere Darstellung des Besuchs der Königin von Saba! Erinnert sie dich nicht gleich an die Weihnachtsgeschichte? Es ist der Besuch der Heiligen Drei Könige bei dem Jesuskind! Was aber verbindet beide Geschichten miteinander? Die Heiligen Drei Könige waren durch einen geheimnisvollen Stern zur Krippe nach Bethlehem geführt worden, um den neugeborenen „König der Juden“ (Matthäusevangelium, Kapitel 2, Vers 2) zu ehren und ihn zu beschenken. Auch die Königin von Saba kam von weit her, um einen großen König zu ehren und zu beschenken. Auch sie ist einem (inneren) Stern gefolgt, einer großen Sehnsucht, alle Rätsel der Welt zu lösen. Sie hatte gehört, wie ein Gott, den sie nicht kannte, König Salomo Weisheit und Reichtum geschenkt hat. Sie war neugierig auf Salomo, neugierig auf diesen Gott, der so unsäglich reich macht. Nikolaus von Verdun kannte natürlich beide Geschichten. Er hat doch den wunderbaren Dreikönigenschrein geschaffen, von dem ich dir vor wenigen Seiten einen Ausschnitt gezeigt habe (S. 309)! Es ist also kein Zufall, dass hier die dunkelhäutige Königin von Saba (sie galt im Mittelalter als Afrikanerin) mit genau zwei Dienern vor Salomo steht. In großen Kunstwerken ist alles wohlüberlegt, davon kannst du ausgehen. Hier soll die eine Geschichte an die andere erinnern. Wenn wir Salomo sehen, sollen wir in ihm schon den kommenden Christus sehen. Und dann verwandeln sich vielleicht vor unseren Augen die Königin von Saba und ihre zwei Diener plötzlich in die Heiligen Drei Könige …

Abb. 2: Nikolaus von Verdun (um 1130–1205), Der Verduner Altar, Tafel „Die Königin von Saba“, bis 1181, Emailfeld in Goldschmiederahmen, Bildfeld: Höhe ca. 30 cm, Breite ca. 21 cm, Klosterneuburg (bei Wien), Stift Klosterneuburg


Für Erwachsene

Das Reich der namenlosen Königin könnte im heutigen Jemen oder auch im südwestlichen Arabien gelegen haben. Viel weiß die Bibel allerdings nicht über die märchenhafte „Königin des Südens“ (Matthäus 12,42; Lukas 11,31) zu berichten. Das hat die Rezeption gründlich nachgeholt. Vor allem eine Legende ist in vielen Variationen fortgesponnen worden: Dass sich nämlich Königin und König ineinander verlieben, heiraten und einen Sohn bekommen. In Äthiopien war diese Tradition besonders lebendig und bedeutsam für das nationale und religiöse Selbstverständnis. So galt dort die Königin von Saba lange als Stammmutter des Königshauses und Salomo als Stammvater. Von ihrem Sohn Menelik, der nach Afrika reiste, sollen alle Mitglieder des Königshauses abstammen.


Bildnachweis

Abb. 1: Poynter, Salomo empfängt die Königin von Saba: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/Sir_Edward_John_Poynter_-The_visit_of_the_Queen_of_Sheba_to_King_Solomon-_Google_Art_ProjectFXD.jpg (letzter Zugriff: 25.08.2021)

Abb. 2: von Verdun, Die Königin von Saba, Foto: akg-images / Erich Lessing