Der Knecht

April

Der Knecht – ein Mann voller Schmerzen (Jesaja 52,13-53,12)


Für Kinder

Für viele Christen ist klar, wer damals mit dem Knecht bei Jesaja nur gemeint sein konnte: Jesus von Nazaret! Dürer malt ihn als „Schmerzensmann“. Es ist ein kleines Bild, in das wir uns andächtig vertiefen sollen, um mit Christus mitzufühlen. In sich zusammengesunken stützt Christus seinen Kopf auf seine rechte Hand und blickt uns traurig an. Er ist übersät von Wunden. Das Reisigbündel und die Geißel erinnern an sein Leiden. Hinter ihm deutet sich der Eingang einer Grabeshöhle an. Sie umgibt ihn wie ein Glorienschein. Die Steinbrüstung vor ihm kann auf seinen Sarg anspielen. Spannend ist, was du alles auf dem goldenen Hintergrund entdecken kannst. Neben Distelranken, die an die Schmerzen Christi erinnern, ist über dem Kopf von Christus eine Eule zu sehen. Sie hat ihre Flügel gespreizt und wehrt sich gegen zwei von links und rechts angreifende Vögel. Aus der Vogelkunde ist bekannt, dass es Kleinvögel auf Eulen abgesehen haben und sie regelrecht „mobben“. Die Eule ist hier ein Symbol für den schuldlos verfolgten, geschlagenen und beschimpften Christus. Die feinen Zeichnungen hat Dürer übrigens in hunderten von Pünktchen mit sogenannten Nagelpunzen in den Goldgrund eingeschlagen!

Abb. 1: Albrecht Dürer (1471–1528), Christus als Schmerzensmann, 1493/94, Öl und Tempera auf Nadelholz, 30,1 x 18,8 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle


Biblischer Text

Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben,
er wird sich erheben und erhaben und sehr hoch sein.
Viele haben sich über dich entsetzt,
so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch.
Jetzt aber setzt er Völker in Staunen,
Könige verstummen vor ihm.
Denn was man ihnen noch nie erzählt hat,
das sehen sie nun,
und was sie nie gehört haben,
das erfahren sie jetzt.“
„Wer hat geglaubt, was uns zu Gehör gebracht wurde?
Wie ein junger Spross aus dürrer, trockener Erde wuchs er auf.
Er hatte keine schöne und edle Gestalt,
wir mochten ihn nicht anschauen.
Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden,
ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut.
Aber er hat sie getragen
und unsere Schmerzen auf sich geladen.
Er wurde durchbohrt wegen unserer Sünden.
Durch seine Wunden sind wir geheilt.
Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe,
doch der HERR lud auf ihn die Schuld von uns allen.
Er wurde misshandelt.
Aber wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt,
und wie ein Schaf, das vor seinen Scherern verstummt,
so tat auch er seinen Mund nicht auf.
Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft,
doch wen kümmerte es?
Er wurde wegen unserer Vergehen
vom Land der Lebenden abgeschnitten.
Bei den Verbrechern und Reichen gab man ihm sein Grab,
obwohl er kein Unrecht getan hat.
Doch der HERR hat Gefallen an seinem zerschlagenen Knecht.
Wenn du, Gott, sein Leben als Schuldopfer einsetzt,
wird er Nachkommen sehen und lange leben.
Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht.
Er sättigt sich an Erkenntnis.“
„Mein Knecht, der gerechte, macht die Vielen gerecht;
er lädt ihre Schuld auf sich.
Deshalb gebe ich ihm Anteil unter den Großen,
weil er in den Tod ging
und sich unter die Verbrecher rechnen ließ.“


Für Erwachsene

Hier beginnt das vierte und letzte Lied vom Gottesknecht. Es bildet den Höhepunkt der literarischen Inszenierung des Knechtes, der „erhaben und sehr hoch“ sein wird (52,13) und in die Nähe des heiligen, hohen Gottes rückt, den Jesaja geschaut hatte (6,1–4). Im Lied gibt es wechselnde Sprecher. Zu Beginn sowie am Schluss spricht JHWH. Im Mittelteil (ab S. 121) reflektiert ein Kollektiv („Wir“) als Teil der „Vielen“ aus dem Volk Israel das Schicksal des Knechts.

Offen bleibt bis zum Schluss, wer der Knecht ist. Steht er für eine historische Einzelperson? Ist er eine messianische Figur? Die individuelle Deutung des Gottesknechts als leidender Messias hat alte jüdische (nicht zuerst christliche!) Wurzeln; sie wird im Mittelalter im Kontext der Judenverfolgungen zur kollektiven Deutung, die im Gottesknecht eine Präfiguration aller Leiden des jüdischen Volkes sieht (Berges 2015, 370f.). Nimmt man die einzelnen Textbefunde zusammen, legt sich letztlich eine kollektive Deutung des Knechts nah. Der Knecht ist dann als Gruppe derer zu verstehen, die aus den Exil heimgekehrt sind und nun zusammen mit einigen Daheimgebliebenen zum Zeugen und Botschafter JHWHs werden, zur Idealgestalt Israels (Berges 2016, 184ff.).



Abb. 2: Albrecht Dürer, Die Beweinung Christi (Glimsche Beweinung), 1500–03, Öl auf Holz, 151 x 121 cm, München, Alte Pinakothek


Bildnachweis

Abb. 1: Dürer, Christus als Schmerzensmann, Foto: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Abb. 2: Dürer, Die Beweinung Christi, Foto: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/45/Albrecht_Durer_Oplakiwanie_Chrystusa.jpg (letzter Zugriff: 25.08.2021)